Gemeindebrief

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Gemeindebrief Dezember 2025 bis Februar 2026

Gemeindebrief September bis November 2025

Andacht über ein Foto (aus dem Gemeindebrief Dezember/Januar/Februar)

Liebe Leser*Innen,

ein Kind aus Terrakotta liegt in der Krippe; winzig, kaum zwei Daumen breit. Es lächelt, der Kopf ist leicht geneigt. Die kleinen Hände ruhen geöffnet auf dem Bauch; ein Bild des Friedens. So stellen viele sich das Jesulein in der Krippe vor.
Verwirrend sind die vielen alten Fotoapparate drum herum. Manche glänzen noch wie frisch geputzt, andere tragen Patina, den Staub von Jahrzehnten. Ihre Objektive sind allesamt ausgerichtet auf das kleine Kind – so, als wäre da ein Promi von heute, der sich in seinem Ruhm sonnen will.
Ein eigenwilliges, aber ehrliches Bild von Weihnachten. Wir leben doch in einer Welt der Bilder, der Filter, der glatten Oberflächen. Schönheit muss inszeniert, festgehalten werden. Wir fotografiere das Leben, statt es zu leben. Und inmitten all des schönen Scheins: ein Kind. Nicht perfekt gegossen, sondern handgefertigt, mit kleinen Unregelmäßigkeiten. Terrakotta eben – gebrannt, aber nicht glänzend. Unverkennbar menschlich.

Damals in Betlehem waren keine Fotografen dabei, keine Reporter, die sofort alles in die Welt hinausgeschickt haben. Weihnachten war keine Glanzveranstaltung, sondern für den Himmel zunächst eine Zumutung. Gott geht „all-in“: kein goldenes Licht, kein Showeffekt, keine Präsidenten an seiner Seite, sondern: Windeln, Stroh, Kälte, Körpergeruch von Stalltieren und verdächtigen Hirten. Gott mutet sich was zu: den Weg in die Tiefe, hinab zu den menschlichen Abgründen. Jesus ist als Erwachsener immer wieder dorthin gegangen, wo es dunkel war, wo Menschen gelitten haben unter Ausgrenzung, Krankheit, Hunger. Ja, manche Menschen haben ihm zugejubelt, bei seinem Einzug in Jerusalem.

Aber wir wissen ja: die Begeisterung hielt nur kurz. Fünf Tage später wurde er gekreuzigt.
Eigentlich kann man das Wunder von Weihnachten nicht knipsen. Es entzieht sich jeder Linse, jedem Hashtag. Wer es sehen und begreifen will, muss die Perspektive wechseln: runter auf Krippenhöhe, auf Augenhöhe mit dem Kind. Er muss sich klein machen, verletzlich, ehrlich zu den eigenen Schwächen stehen. Wer so schaut, erkennt im Jesuskind nicht nur das süße Baby, sondern vorausschauend auch den Mann, der wirklich Großes für uns Menschen erreichen wird: die Aussöhnung mit Gott, die Vergebung unserer Schuld.
Das ist das wahre Wunder von Weihnachten: dass Gott sich nicht majestätisch über uns erhebt, sondern zu uns herabkommt. Nicht, um uns mit seinem Glanz zu beeindrucken, sondern um mit uns gemeinsam zu leben: zu weinen und zu lachen, zu lieben und zu leiden. Im Jesuskind begegnet uns keine Majestät, die auf Abstand bedacht ist, sondern eine Nähe, die uns verwandeln will. Eine zärtliche Macht, die nicht zwingt, sondern einlädt.

Wer weiß: vielleicht haben diese alten Kameras, nachdem sie so oft nur die vermeintlichen Promis, Stars und Sternchen, abgelichtet haben, endlich mal das richtige Motiv gefunden...

Es grüßt Sie Pastor Rothkirch

Andacht über ein Foto

Aus dem Gemeindebrief September - Oktober - November

Liebe Leser*Innen,

im Dezember 1970 besucht der damalige Bundeskanzler der Bundesrepublik, Willy Brandt, Polen. Es ist die erste Reise eines Bundeskanzlers in das Land, das 1939 von den Deutschen überfallen wurde. Zum Protokoll eines solchen Besuches gehörte ein stilles Gedenken am Grabmal des unbekannten Soldaten. Willy Brandt äußerte darüber hinaus den Wunsch, auch das Ehrenmal am Ort des ehemaligen Warschauer Ghettos zu besuchen. Von 1940 bis 1943 wurden in diesem Ghetto Jüdinnen und Juden aus Polen unter unmenschlichen Bedingungen auf engstem Raum eingesperrt. Von dort wurden die meisten von ihnen in Vernichtungslager abtransportiert; nur wenige haben das überlebt. Nach einem Aufstand im April 1943 wurden mehrere zehntausend Menschen von der SS getötet, und das gesamte Viertel wurde zerstört. 
Im Gedenken an die Opfer erbat Willy Brandt, an diesem Ort einen Kranz niederlegen zu können. Nachdem er die Schleifen des Kranzes gerichtet hatte, trat er ein paar Schritte zurück und – sank vor dem Denkmal auf die Knie. Niemand hatte mit dieser Geste gerechnet, auch nicht die westdeutschen Politiker, die ihn damals begleiteten. 

Viel ist über den „Kniefall von Warschau“ geschrieben worden. Die einen vermuteten eine geschickte Inszenierung. Andere kritisierten, er sei vor einer kommunistischen Regierung in die Knie gegangen. Brandt hatte aufgrund seiner Ostpolitik mit dem Ziel der Aussöhnung viele Anfeindungen zu ertragen. Er selbst hat immer wieder betont, dass er an diesem 7. Dezember 1970 aus dem Moment heraus gehandelt hat; im Bewusstsein der Last der deutschen Schuld sei er auf die Knie gesunken. 
Brandt selbst hatte sich während der Nazi-Zeit nichts zuschulden kommen lassen. Er war schon 1933 nach Norwegen emigriert, hatte nie an den Verbrechen der Wehrmacht oder der SS teilgenommen. Und doch war ihm diese Geste wichtig. 
Wie immer man zu der Person oder der Politik Brandts stehen mag: Ich finde, sein Kniefall in Warschau war ein gelungenes Zeichen der Bitte um Verzeihung und zugleich ein Zeichen für das Eingeständnis der Schuld. Eine solche Geste kann Grenzen überwinden und Versöhnung ermöglichen. 
Wir alle brauchen Barmherzigkeit und Versöhnung, gerade auch die Politiker. Es gilt noch immer das, was Paulus in seinem Römerbrief geschrieben hat: „Alle sind schuldig geworden und haben keinen Anteil mehr an der Herrlichkeit Gottes.“ Deshalb können wir nur dankbar sein, dass Gott uns weiterhin seine Gnade schenkt, jeden Tag neu, trotz unserer vielen Mängel. 

Es grüßt Sie
Pastor Rothkirch